Deep Talk Ep. 10: Impostor Syndrom – Was tun gegen Selbstzweifel im Business?

Ein Gespräch mit Psychologin Laura Kellermann (www.laurakellermann.de)

In dieser Ausgabe von »Deep Talk« habe ich die Gelegenheit, mit der Psychologin Laura Kellermann über die Bewältigung des Impostor-Syndroms zu sprechen.

Sie teilt dabei spannende Einblicke, wie:

  • das Impostor-Syndrom entsteht und wie es sich auf Deine Selbstwahrnehmung auswirkt.

  • sie selbst das Impostor-Gefühl erfolgreich überwunden hat.

  • Du Selbstzweifel beseitigst und Dein Selbstbewusstsein steigerst.

Christina: Hallo Laura, schön, dass Du heute mit so einem spannenden Thema bei uns bist. Du beschäftigst Dich als Coach mit dem „Impostor Syndrom“. Was ist das genau und woher weiß ich, ob ich davon betroffen bin?   

Laura: Um es erstmal vorwegzunehmen: Es ist keine Krankheit, auch wenn es der Name erstmal vermuten lässt. Es geht vielmehr um ein verzerrtes Selbstbild, das man hat. Man selbst hat immer wieder das Gefühl, nicht gut genug zu sein und zweifelt an seiner Arbeit – obwohl man Erfolge hat und positive Rückmeldungen bekommt.

Auch Weiterbildung, mehr Vorbereitung und Berufserfahrung lassen die Zweifel nicht verschwinden. Das ist auch ein zentraler Unterschied zu „normalen“ Selbstzweifeln. Die werden ja mit Erfahrung & positiver Bestätigung weniger. So nicht beim Impostor Syndrom.

Die Versagensängste werden sogar teilweise mit zunehmendem Erfolg größer. Weil die Diskrepanz, wie man sich selbst sieht und wie andere einen wahrnehmen, immer größer wird. Das wiederum löst großen Druck bei den Betroffenen aus, diesem vermeintlich zu guten Bild entsprechen zu müssen, weil sie fürchten, sonst als Hochstapler aufzufliegen. 

Christina: Wie bist Du selbst dazu gekommen, Menschen bei diesem Thema zu unterstützen? Hattest Du eigene Erfahrungen damit gemacht?

Laura: Ich bin dazu gekommen, weil ich selbst davon betroffen war. Das erste Mal hat es sich bei mir so richtig im Psychologie-Studium gezeigt. Ich hatte wahnsinnige Angst, dass mir meine Prüfer zurückmelden könnten, dass ich mich überschätzt habe und zu dumm bin, um Psychologin zu werden.

Ich habe das damals mit exzessiver Arbeit kompensiert und habe lange gedacht, dass ich die 1er habe, weil ich mich halt wie verrückt vorbereite. Oder, dass die Prüfer einfach leichte Fragen gestellt haben, die jeder beantworten kann. Ich habe das Studium mit 1,5  abgeschlossen. Aber auch danach hat es mich weiter geplagt. 

In meinen Jobs hatte ich total Angst, dass jemand merkt, dass ich gar nicht so gut bin, sondern dass ich mich einfach nur gut verkauft habe. Das hat natürlich den Druck ausgelöst, mich beweisen zu müssen und ich bin zur „Jasagerin“ mutiert. Ich hab mich auch selten getraut, Rückfragen zu stellen, weil ich dachte, dass ich das ja alles wissen müsste. Nach außen hin habe ich selbstsicher gewirkt, aber innerlich bin ich tausend Tode gestorben und hatte viele schlaflose Nächte. 

In der Selbstständigkeit ging es dann weiter. Ich habe ich mich zwar schnell getraut, solide Preise zu nehmen, aber ich hatte total Angst, meine Kunden zu enttäuschen. Das hat sich bei mir bspw. so gezeigt, dass ich nur gehemmt über meine Angebote gesprochen habe oder nicht wirklich Kundenstimmen gezeigt habe. Und ich bin auch da wieder zur People-Pleaserin mutiert. Um 20:30 Termine? 15 Minuten Sprachnachrichten? Im Preis entgegenkommen? Am Wochenende erreichbar? Kein Problem. 

Ich bin übrigens weiterhin voll dafür, Kunden einen genialen Service zu bieten. Aber im Gegensatz zu früher bitte kompatibel mit meinen Bedürfnissen. Im Service für Kunden sein und sich verausgaben, weil man das Gefühl hat, nicht gut genug zu sein und es ausgleichen zu müssen, sind zwei Paar Schuhe.

Das Impostor Syndrom hat mich also lange sehr gestresst und so bin ich wie die meisten über meinen eigenen Leidensweg zu meiner Spezialisierung gekommen. Auch, wenn es keine Krankheit ist, hat es mir echt weh getan und ich bin froh, dass es mich nur noch selten tangiert. Dann auch nur noch in homöopathischer Dosis und ich weiß zudem, was zu tun ist. Herrlich.

Christina: Hast Du das Gefühl, das Thema betrifft eher Frauen oder Menschen, die von Haus aus weniger Selbstbewusstsein haben?   

Laura: Das Thema betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Ich persönlich kenne beispielsweise einige Männer, die darunter leiden. Die Ursachen für das Impostor Syndrom sind vielschichtig. Ein Mix aus Persönlichkeitsstruktur und Erfahrungen, die Zweifel gesät haben. Manchmal sind es Lehrer, die einem gesagt haben, dass man zu doof ist, den Schulabschluss zu schaffen. Mitschüler, die einen ausgegrenzt haben. Eltern, deren Erwartungen man nicht gerecht werden konnte. All das schafft einen wunderbaren Nährboden für das Impostor Syndrom.

Christina: Was passiert da genau im Kopf, wenn wir plötzlich nicht mehr an uns glauben, obwohl wir es vielleicht schwarz auf weiß haben, dass es nicht so ist?   

Laura: Einen großen Anteil daran haben sogenannte kognitive Verzerrungen. Man hat also eine verzerrte Wahrnehmung. Kennzeichnend für das Impostor Syndrom ist ja, dass es eigentlich objektive Beweise gibt, dass man gut genug ist. Beispielsweise, weil man positives Feedback bekommt von den Kunden. 

Diese Beweise werden aber innerlich entkräftet. So denken Betroffene beispielsweise „Der Kunde ist nur höflich und sagt einfach nicht, dass er eigentlich unzufrieden ist.“ oder „Der Kunde hat halt keinen Vergleichswert und denkt nur, dass es gut war“. Oder: „Ich hatte halt Glück, dass es gut gegangen ist. Beim nächsten Mal fliege ich auf.“ 

Hinzukommt, dass Impostor Syndrom Betroffene zu einem perfektionistischen Schwarz-Weiß-Denken neigen. Das heißt, entweder ist das Ergebnis perfekt oder schlecht. Dadurch haben sie sehr oft das Gefühl, dass ihre Arbeit noch besser gegangen wäre und fühlen sich unzulänglich. Und wenn sie dann auch noch jemand dafür lobt, fühlen sie sich erst recht schlecht. 

Christina: Wie arbeitest Du mit Deinen KlientInnen zusammen, um an so tiefgreifende Zweifel heranzukommen?   

Laura: Erstmal ist es mir wichtig, dass meine Kund:innen das Impostor Syndrom und seine Facetten gut verstehen. Dass sie sehen, wie alles zusammenhängt. 

In den nächsten Schritten geht es dann darum

  • die eigene Leistung anzuerkennen und zu würdigen

  • die Selbstzweifel und Versagensängste zu bändigen, die einem den Alltag so schwer machen

  • Übertriebene Kompetenz-Anforderungen aufzudecken & auf ein realistisches Maß zu schrauben

  • Prokrastination und übertriebene Vorbereitung abzubauen

  • und entspannter mit Fehlern, Misserfolgen & Kritik umzugehen


Christina: Mir scheint, es geht ja viel um gefühlte Perfektion. Wie verhindere ich, in die Perfektionsfalle zu geraten und lerne mal „Fünfe gerade sein zu lassen“.   

Laura: Ich selbst bin früher auch oft an verschiedenen Stellen in die Falle getappt. Beispielsweise beim E-Mail schreiben, weil ich Angst hatte, was Falsches zu schreiben. Die habe ich dann 1000 Mal Korrektur gelesen und überarbeitet. Das ständige Kontrollieren und Überarbeiten ist eine Schutzstrategie, die viele im Laufe ihres Lebens entwickelt haben. Darum sind Zeitmanagement-Tools auch oft nicht so hilfreich, denn es ist ja kein Zeitproblem. Stattdessen geht es darum, sich mit der Versagensangst genauer zu beschäftigen. Beispielsweise zu verstehen, wo sie herkommt, die übertriebene Vorbereitung in kleinen Schritten zu reduzieren, mal bewusst kleine Fehler zu machen und auch zu üben, wohlwollender und freundlicher mit sich umzugehen.

Christina: Hast Du Tipps, wie wir im Business-Alltag mit dem Gefühl, nicht zu genügen, umgehen können? Gerade hier kommt es ja darauf an, dass wir selbstbewusst in die Kundenbeziehung gehen. 

Laura: Tipp Nummer 1: Nur, weil Du Dich nicht gut genug fühlst, heißt es nicht, dass Du nicht gut genug bist. In der Psychologie nennen wir das „emotionales Schlussfolgern“. Statt also Deinen Gefühlen blind auf den Leim zu gehen, empfehle ich die Fakten zu prüfen: Welche Beweise gibt es wirklich? 

Tipp Nummer 2: Übe, Dich selbst zu loben. Dein neues Motto lautet „Eigenlob stimmt“. Also schreib Dir auf: „Dafür lobe ich mich heute: …“. Wenn Du unsicher bist, ob Du etwas aufschreiben sollst, ist die Antwort immer: JA! 

Tipp Nummer 3: Nimm Lob an. Wenn Du unsicher bist, ob ein Kunde nicht übertreibt oder es nur aus Höflichkeit sagt, ist das neue Motto: Wir nehmen lieber ein übertriebenes oder unechtes Lob zu viel an, als ein ehrlich gemeintes zu wenig. Wenn der Kunde Dich lobt, dann sagst Du einfach „Danke, ich habe mir auch Mühe gegeben“. 


 

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Ich bin Christina Jokilehto und begleite Dich weg von den üblichen lauten Marketing-Methoden. Hin zu einer Kommunikation, die Emotionen weckt und Vertrauen schafft.

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